Es sind gerade die Provisorien, die am längsten halten. Das mag auch für unsere Gnadenkirche gelten, der im Höchstfall 50 Jahre Bestand zugesagt waren und die nach nunmehr 70 Jahren noch immer steht und ihre besondere Atmosphäre ausstrahlt.

Am 4. März 1951 wurde die Bartningsche Notkirche durch Spenden der Dänischen Landeskirche eingeweiht. Dem voraus geht die bewegte Geschichte des Stadtteils Schafhof und der Neumeyerstraße. Hier wurden nämlich im Zuges des zweiten Weltkrieges für ein Luftgaukommando lange Reihen von Baracken aus Holz und Stein errichtet. Nach Kriegsende zogen hier tausende von Heimatvertriebenen vor allem aus Schlesien und anderen ehemaligen deutschen Ostgebieten ein, so dass hier das größte Vertriebenenlager Bayerns entstand.
Dass diese Menschen dort nicht nur unter Elend und Not leben mussten, sondern auch unter unwürdigen Umständen Gottesdienst feiern mussten, rührte die Herzen der Dänen, die viele Kinder aus dem Lager zur Sommerfrische beherbergten, so sehr, dass sie sich zur Stiftung einer Kirche entschlossen. Otto Bartning war um 1950 herum der Hauptarchitekt des Kirchbauprogramms des Evangelischen Hilfswerks. Um den Mangel an gottesdienstlichen Räumen, der durch die Zerstörung vieler Kirchen und den Zuzug von Flüchtlingen entstanden war, mit schnellen und einfachen Mitteln zu beseitigen, entwickelte er eine Elementbauweise (Baukastensystem) für Notkirchen. Unsere Gnadenkirche ist eine solche, entsprechend des Typs Gemeindezentrum, indem durch die Flügeltür die Altarnische verschlossen werden kann und so ein Gemeindesaal mit kleiner Bühne entsteht.
In ihrer Form gleicht die Kirche eher einem Zelt und so sei an den Spruch aus Ps 61,5 erinnert, in dem es heißt: Lass mich wohnen in deinem Zelte ewiglich und Zuflucht haben unter deinen Fittichen. Diese Zuflucht sollte mit dem Gotteshaus in Schafhof den Schwachen und Heimatlosen gnadenvoll geschenkt sein. Damit war der Name „Gnadenkirche“ gehaltvoll geprägt, auch wenn er sich an die 7 „Gnadenkirchen“ anlehnte, die man im katholischen Schlesien nach der Gegenreformation den evangelischen Christen zubilligte.
Nach der Grundsteinlegung am 22.10.1950 wurden Baugrube, Kellergeschoss und Fundamente von Jugendlichen und Männern aus dem Lager in eigener Arbeit erstellt. Noch heute leben in Ziegelstein Gemeindeglieder, die selbst dabei waren. Mit den Fertigbauteilen wurde dann darauf die Kirche und die Pfarrwohnung errichtet und im März 1951 alles feierlich eingeweiht.
Dass von der Gnadenkirche viel Segen und Gnade ausgegangen ist und sie vielen, unterschiedlichen Menschen durch ihre besondere warme und bergende Atmosphäre ans Herz gewachsen ist, mag an ihrer Geschichte liegen. Bestimmt aber auch an den Pfarrern, die hier tätig waren, vor allem und lange Zeit Pfarrer Franz Soellner. Und es liegt sicher auch daran, dass sie noch heute nicht nur der Ziegelsteiner Gemeinde, sondern auch anderen evangelischen Gemeinden wie der Vineyard oder der evang.-luth. Koreanischen Gemeinde Heimat bietet. Darum sagen wir auch heute noch – nach 70 Jahren – Gott sei Dank für diese Gnade(nkirche)!
Pfarrerin Alexandra Dreher
Aufgrund der aktuellen Situation wird der Jahrestag der Gnadenkirche in diesem Jahr voarussichtlich am 6. Juni gefeiert. Nähere Informationen folgen im Gemeindebrief und auf der Homepage.